Zwei halbwegs ausgebildete Kinderärzte, zurück auf der Schulbank. Ehrlich, es macht uns einen Riesenspaß! Ist das Verb regulär oder – hoffentlich nicht schon wieder – irregulär? Was war denn eigentlich noch mal ein Possessivpronomen? Und, falls nötig, kann Marc einfach alles im Präsens ausdrücken, wir raten dann, ob er gestern, heute oder morgen ein gutes Stück Schwein gegessen hat… Hui, die Hirne sind in den letzten 15 Jahren, seit Schulende, doch etwas gealtert, aber da geht trotzdem noch was!! Und es ist, neben all dem Medizin-Schmu doch noch Platz für Neues!
Seit dem letzten Montag sind wir „Estudiantes“ der „Academia de Espanol de Quito“ (Danke für den Tip, Kerstin!).
Im Einzelunterricht, ich mit „Profesora“ Diana, Marc mit Rosella versuchen wir wieder da anzuknüpfen, wo wir aufgehört haben. Für mich bedeutet das, dass ich mich an die Dinge erinnern muss, die ich zwischen Klasse 9 und 13 (mit einem Jahr Pause) in der Schule gelernt habe, Marc hingegen könnte etwas entspannter an die Sache gehen, hat er doch bisher nur Erfahrung mit „Gloria“, seiner virtuellen Spanischlehrerin vom Lernprogramm auf unserem Computer. Natürlich geht es ihm aber trotzdem nicht schnell genug. Ich bin sehr stolz auf ihn, gestern hat er endgültig die Kommunikation in der Öffentlichkeit übernommen, hat Weisswein, Bier und Wasser bestellt, nur warum er den Kellner zum Schluss um „die Vierzig“ („La quarenta por favor!“) gebeten hat, wissen weder ich noch der Angesprochene (bezahlen durften wir „la quenta“ trotzdem)… Okay, an dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass ich alle Philippinischen Damen als „billig“ bezeichnet habe, dabei ähnelt das Wort dem gewünschten „schlank“ kein bisschen…
Das Unterrichtskonzept finden wir prima, am Vormittag Einzelunterricht, mit einer kurzen Pause auf der Dachterrasse der Schule, am Nachmittag Ausflüge in und um Quito mit einer Lehrerin, die uns Stadt, Land und ihr Privatleben in aller Ausführlichkeit erklärt… Dabei haben wir uns Museen und den Präsidentenpalast angesehen, und am Donnerstag waren wir am Äquator.
Dort haben wir endlich den Beweis gesehen, Ihr wisst schon, die Geschichte mit der Klospülung! Ja, das Wasser dreht sich auf dem Äquator gar nicht auf dem Weg in den Abfluss, nur zwei Meter südlich mit und 2 Meter nördlich gegen den Uhrzeigersinn (oder umgekehrt?). Ja, und es ist möglich, auf dem Äquator ein Ei senkrecht aufzustellen, ohne dass es umfällt. Alles was man braucht ist eine ruhige und vor allem weibliche Hand. Alle Mädels haben es geschafft, und keiner von den Herren…ätsche!
Wenn es gerade keinen kulturellen Input gab, durften wir stattdessen unserer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: ESSEN! Diana zeigt uns jeden Tag neue ecuadorianische Spezialitäten, wie „Granadilla“, eine süß-säuerliche Frucht, die fast nur aus Kernen besteht, aber sehr lecker ist (nebenbei bemerkt, die erste „Beikost“ für hiesige Säuglinge, von Kernen befreit). In der Markthalle, nur wenige Schritte von unserer Schule waren wir schon mehrfach mit ihr zum Mittagessen, wissen erst jetzt, wie viele verschiedene Sorten Mais es gibt. Leider sorgt Marcs Experimentierfreude dafür, dass wir demnächst nicht mehr gemeinsam unsere Mahlzeiten einnehmen können: seine Suppe vom Dienstag enthielt größere Mengen tierischen „Innenlebens“ und ich war lange damit beschäftigt, mich zu fragen, wer in unserer Nähe sein „Geschäft“ unter den Tisch gemacht haben könnte, bis ich verstand, dass der Geruch von Marcs Essen kam… Da ist mir der Appetit dann endgültig vergangen, und die nächste Kuß-Option habe ich auf die 2. Septemberwoche verlegt… Hatte ich erwähnt, dass unsere neue Lieblingssüßigkeit „Kacka de perro“, also „Hundekacke“ heißt? Keine Sorge, ich esse daran mit, es sind kandierte geröstete Maiskerne, und sie haben ihren Namen nur von ihrem Welpenausfuhr ähnelnden Aussehen… Was wir bisher nicht gesehen haben, sind Meerschweinchen…außer im lebendigen Zustand (der Museumsführer hat uns beigebracht, dass man mit Essen nicht spielt, also durften wir sie nicht streicheln…)
Großen Spaß macht uns unsere derzeitige Unterbringung. Wir wohnen im Kellerloch der Familie Grijalva…naja, das Haus ist an den Hang gebaut, also haben wir trotz treppabwärts ein Zimmer mit Tageslicht. Ein eigenes Bad, einen Fernseher mit einem Programm und Internet frei. Und dann natürlich: herzlichen Familienanschluss. Außer uns leben noch eine 21-jährige Ingenieurwesen-Studentin und eine Mittvierziger-Bankangestellte hier, als Untermieter. Zudem verstecken sich irgendwo im Haus die erwachsenen Kinder, die aber nie in der Öffentlichkeit auftreten, sowie die Mutter der Hausherrin, welche von schichtarbeitenden Krankenschwestern rund um die Uhr betreut wird, und den ganzen Tag im ersten Stock vorm Fernseher sitzt und freundlich grüßt, wenn man das Haus betritt. Jeden Abend gibt es eine warme Mahlzeit in großer Runde, wobei wir fleißig versuchen, am Gespräch teilzunehmen, denn das ist schließlich der Sinn dieser ganzen Unternehmung. Unsere Gastgeber Susana „Susi“ und Antonio sind sehr bemüht und freundlich, versorgen uns mit gefährlich gutem und reichhaltigen Essen (nein, Hella, ich tu, was ich kann!) und zweimal täglich frisch gepresstem Saft aus den abgefahrensten Früchten (Baumtomate???? Lecker!).
Die Rückkehr in die Zivilisation – Buda war WIRKLICH ganz was anderes – ist uns, wie Ihr wisst, nicht ganz leicht gefallen. Aber nachdem wir ausgeschlafen hatten, konnten wir endlich anfangen, diese neue Stadt zu erobern. Ungewohnt ist weiterhin die Notwendigkeit, vorsichtig zu sein. Dies ist halt eine südamerikanische Großstadt, da gibt es nicht nur nette Buben… Also lassen wir einfach fast alle Wertsachen daheim, haben eine mittelmäßig hübsche Touristentasche gekauft, in welche wir Marcs Fototasche eingenäht haben, und nehmen aber auch diese nur mit, wenn wir gute Motive erwarten. Die Stadt hat uns schon beim Blick aus dem Flugzeugfenster schwer beeindruckt. Zwischen Vulkanen, auf einem Plateau auf über 2800 Metern Höhe, sah die Stadt aus wie ein riesiger Teppich.
Die Menschen um uns herum sind weiterhin genauso gemütlich unterwegs, wie auf den Philippinen, nur gibt es plötzlich wieder mehr Autos, und keine Jeepneys mehr… Als Fußgänger ist man weiterhin ganz alleine für sein Überleben verantwortlich, Zebrastreifen sind mehr Straßendeko als Grund für Autofahrer zum Langsamfahren. Die Leute sind weiterhin ausgesprochen freundlich. Ihre Herkunft können wir inzwischen immer besser zuordnen, so merkt man schnell, dass „Küstenkinder“ mit weniger Konsonanten aufgewachsen sind, als andere. So verlangen Taxifahrer, die von der Küste kommen nicht „dos dollares“ sondern „do_ dollare_“. Naja, man hört sich so allmählich rein, und bislang haben wir (wissentlich) noch keine Zeche geprellt. Die Fortbewegung mit sämtlichen Verkehrsmitteln ist hier vergleichsweise günstig. So zahlt man für ein Taxi zwischen 1,5 und 4 Dollar, kann dafür fast die ganze Stadt einmal durchqueren. Und die in rascher Folge verkehrenden Busse kosten 25 Cent pro Fahrt, egal, wie weit man fahren möchte. Ähnliches gilt für die Überlandbusse, sagt der Reiseführer, aber diese werden wir erst in ca. 3 Wochen nutzen. Bis dahin steht nämlich unser Programm allmählich fest: In der kommenden Woche haben wir nochmal vormittags unseren Sprachkurs mit nachmittäglichen Exkursionen, am Samstag geht es dann ab in den Urwald, erneut mit der Sprachschule. Dort wird dann weiter gebüffelt, aber die Exkursionen werden etwas exotischer, mit Rafting und ähnlichem. Und wenn wir von den „Trockentieren“ dann genug haben, geht es, in zwei Wochen weiter zu den Meeresbewohnern. Wir gedenken, einen großen Teil unserer Reisekasse auf den Kopf zu hauen und fliegen auf die Galapagosinseln. Da wollen wir dann auf Schildkröten reiten…und so… Naja, tauchen wollen wir auch wieder, schließlich kann man dort mit Seelöwen und Delfinen unter Wasser spielen…wenn die Haie gerade nicht stören! Nach unserer bisher eher günstigen Reiseart (von diversen Kurzaufenthalten in 5-Sterne-Hotels mal abgesehen) werden wir dort endlich mal richtig tief in die Hochzeitsgeschenkekiste greifen können…
So, jetzt geht’s ins Einkaufszentrum, wir brauchen einen Friseur…