Ein brisantes Thema… Der Papst kann es scheinbar immer noch nicht gutheißen, und mit Recht werden die German Doctors zu möglichst großer Vorsicht im Umgang mit diesem Thema angehalten: Verhütung. Wir sind weder Moralapostel, noch Missionare, es steht uns nicht zu, über die moralischen Grundsätze unserer Patienten zu urteilen. Wenn man dann hier die Lebensumstände sieht, eine Mutter, die genauso alt ist, wie ich und gerade Kind 7+8 auf die Welt gebracht hat (unsere Zwillinge, Ihr erinnert Euch?), von der nächsten Frau auf Nachfrage zu hören bekommt, sie habe „nur“ 10 Kinder (da mussten immerhin sogar unsere Schwestern mal lachen), da kommt man doch ins Grübeln. Unsere Hebammen und Gynäkologen leisten hier aber wirklich gute Arbeit. Vor einigen Tagen hat in der Ambulanz die Hebamme Remy für mich übersetzt, und keine Frau im gebärfähigen Alter (naja, zumindest keine gestandene Mutter) hat sie gehen lassen, ohne nach Verhütung zu fragen. So wird dieser Gedanke zunehmend gesellschaftsfähig, und viele Frauen kommen wieder, 6 Wochen nach der Entbindung, um sich beraten zu lassen. Praktisch täglich werden Spiralen eingesetzt, es gibt „die Pille“, z.T. Kondome incl. Anleitung zur korrekten Anwendung (da gibt es ein viel gerühmtes Holzobjekt im Zimmer der Gynäkologen…). Und wenn es dann doch etwas endgültiger sein soll, kommt regelmäßig das „Ligation“-Team. So stand an einem Wochenende im Juni plötzlich eine Horde von 24 (!) einheimischen Gynäkologen in der Halle, ein Zimmer (erneut unser Zimmer für die unterernährten Kinder) wurde zum OP-Saal umfunktioniert, 5 OP-Tische, je zwei „Operateure“, und dann ging es wie am Fließband. In einer langen Reihe stellten sich Frauen verschiedenster Altersklassen auf, zunächst am Verwaltungstisch, Personalien wurden aufgenommen, dann, bereits im weiss-blau gemusterten OP-Hemd in die zweite Schlange, jetzt gab es eine Infusionsnadel, Blutdruckkontrolle.
Blutdruck, Infusion und schon geht's los...
Mit einer Begleitperson („Watcher“), die die Infusionsflasche hochhält geht es weiter, vor die Klinik, wo schon eine lange Reihe von Bänken neben der Tür zum „OP“ steht. Und da sitzen sie, aufgeregt kichernd, ca. 25 Frauen schnattern wild durcheinander und harren des Abenteuers, das da kommen mag.
Ich nutze die Gelegenheit und folge der Einladung der Koordinatorin, einen Blick in den OP zu werfen (mein Mann bleibt rücksichtvoll draußen). Und auch hier: maximale Effizienz. Die ersten 5 Frauen liegen auf der Seite, warten auf ihre Nadel für die Rückenmarksnarkose, kurze Zeit später schaue ich wieder nach, und alle 5 liegen auf dem Rücken und sind fast schon fertig versorgt.
OP im Akkord...
Nach vielleicht 45 Minuten wird die erste Frau hinausgetragen. Laufen kann sie noch nicht wieder, die Beine „schlafen“ noch, wegen der Narkose. In der Halle wurde inzwischen ein Matratzenlager vorbereitet, ca. 10 Matratzen, auf denen am Ende alle ca. 50 (!) geplanten Patientinnen gemeinsam warten sollen, bis die Narkose nachlässt. In einer deutschen Klinik? Undenkbar! Hier? Völlig normal! Denn eines haben wir wirklich gelernt: Mit dem zu Hause so verbreiteten Wunsch (oder der Forderung) nach Einzelzimmern und Privatsphäre kann hier keiner etwas anfangen. Man fühlt sich wohl in der Gruppe, hat eher Angst vor dem Alleinsein. Und, wie die steigende Nachfrage der letzten Jahre beweist, nimmt die Akzeptanz zu, immer mehr Frauen kommen, um sich dem schnellen Eingriff zu unterziehen.
Um 17 Uhr ist der ganze Zauber vorbei, alle OPs fertig, als wir am späten Abend von einem Ausflug zurückkehren, ist nicht zu merken, dass etwas passiert ist… Wieder einmal ist dies – natürlich neben dem beeindruckenden Gynäkologenteam – vor allem „Sir“ Raymond zu verdanken, unserem unbezahlbaren Notaufnahmepfleger…wir ziehen zum wiederholten Male den Hut…
OP-Komplikationen? Ja, eine! Am nächsten Morgen finden wir eine Patientin in einem Bett unserer Station, ihr war nach der Operation übel und schwindelig, weshalb sie über die Nacht geblieben ist. Ich kann es nicht lassen, muss mir die Wunde ansehen…sie ist winzig, ca. 4 cm lang, keinerlei Zeichen einer Nachblutung, die Patientin hat keine Schmerzen, der Kreislauf ist nach etwas Infusion wieder in Schwung…ab nach Hause. Und erneut: Respekt, Kollegen!